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5.3.2019

Neu in der Sammlung: »Holo$« von Dora Tass

Sehr geehrte Damen und Herren,

zu den Neuerwerbungen der Sammlung Haupt gehört eine außergewöhnliche Glas-Objekt-Arbeit von Dora Tass. Anders als bei den Lichtobjekten im Sammlungs-bestand von Mathieu Mercier, Sergej Alexander Dott und Virginie Mossé entfaltet sich die Wirkung dieses holografischen Licht-Kunstwerks im aktiven Gebrauch.

 

Auf den ersten Blick mutet Holo$ (nur) wie eine Zeichnung auf dunklem Grund unter extrem dicker Verglasung an. Dieser Eindruck hält allerdings nur so lange vor, bis Licht, vorzugsweise von schräg oben auf das wandhängende Objekt gerichteten Spots, auf dessen Oberfläche fällt und das Werk zu eigentlichem Leben erweckt. Die anfänglich zurückhaltende Farbigkeit entfaltet sich jetzt in intensiver Brillanz und Leuchtkraft. Je nach Sichtwinkel des Betrachters treten die in der erst jetzt erkennbaren Collage verwendeten Elemente - darunter signifikant ein durchgerissener 1-$-Schein - aus der Fläche heraus nach vorn in den Raum und eröffnen die dritte Dimension. Das Geheimnis steckt in der vorgelagerten Glasplatte von reichlich 1 cm Dicke.
Verstärkt wahrnehmbar wird diese Impression noch, wenn der Betrachter die Arbeit unbeleuchtet vorfindet, die quasi zum Werk gehörende Stabtaschenlampe interaktiv einsetzt - was durchaus den Intentionen der Künstlerin entspricht - und durch die Variation von Beleuchtungs- und Blickwinkel die Objekte gleichsam in der räumlichen Dimensionen ›in Bewegung‹ setzt.
In Zusammenarbeit mit dem amerikanischen Künstler August Muth, einem Protagonisten moderner holografischer Licht-Kunst (der in seinem eigenen Schaffen hingegen betont abstrakt arbeitet), hat Dora Tass seit 2006 eine Reihe von analogen holografischen Licht-Arbeiten realisiert, darunter die in Ausstellungen - zuerst im italienischen Pavillon der 54. Biennale Venedig - und auf Auktionen vertretene Typewriter-Sujets sowie mehrere weitere Arbeiten zur Geld-Thematik.
 

In zweidimensionaler Darstellung ist die Spezifik der Arbeit nur annähernd darstellbar (im News-Beitrag deshalb der Hinweis auf Filmaufnahmen).

Dora Tass zur ihren Licht-Kunstwerken:
»Durch meine Arbeit bemühe ich mich, eine dreidimensionale Topographie aus reinem Licht einzufangen, die ein Fenster in die schwer fassbaren Bereiche des Licht-Raum-Zeit-Paradoxons öffnet. Leuchtende Lichtvolumen werden spürbar und forderten den Betrachter zu einer mehrdimensionalen Erfahrung auf.  Die Körperlichkeit des irdischen Materials wird nicht materiell und unwesentlich, wenn man von der taktilen Qualität dieses dreidimensionalen holografischen Lichts fasziniert wird: Ich trickse die Sinne aus und destabilisiere die Wahrnehmung: Jedes Hologramm hat unterschiedliche Perspektiven, die sich ändern, ja nachdem wo der Betrachter in Bezug zum jeweiligen Werk steht. Leuchtende Flüssigkeits-volumina hypnotisieren und provozieren visuelle und kognitive Kurzschlüsse.«

Das Wesentliche der holografischen Technik hat August Muth in der Charakterisierung seiner künstlerischen Arbeit umschrieben als die Transformation von Licht in Raum - und er betont dabei angesichts des Hypes um digitale Reproduktion den Facettenreichtum des in Pixeln um ein Vielfaches überlegenen analogen Verfahrens.

Er sagt: »Beim Betrachten eines Hologramms trifft der Betrachter auf eine Wahrnehmungstür. Wenn man durch diese Tür in eine taktile dreidimensionale Erfahrung tritt, die keine materielle Substanz enthält, ergibt sich eine Chance. Es besteht die Möglichkeit, veraltete Ideen und Wahrnehmungen der Realität zu verändern.«

Die treibende Kraft in Dora Tass' Forschung und Praxis sind Objekte, die visuelle Poesie, historisches Gedächtnis und - wie von der Künstlerin definiert - "la poetica dell'assenza" (die Poetik der Abwesenheit) darstellen. Sie lässt sich vom Dadaismus und Surrealismus inspirieren, indem sie Erinnerungen zusammenführt und Objekte sammelt, die veraltet, aber sehr vertraut sind. (...) Die zerstückelten Elemente in ihrem Werk sind Nebeneinanderstellungen einer gespenstischen Vergangenheit, die in einer surrealen Gegenwart eingeschlossen ist und ein archäologisches Archiv der Zukunft darstellt. Deshalb werden wir dazu gebracht, die Vorstellung von Zeit auf neue Weise wahrzunehmen, die uns verwirrt und sprachlos macht.
(zitiert nach CURRENTS NEW MEDIA, einem 2002 von Parallel Studios in New Mexico etablierten Event für Neue Medien)

Die 1972 in Rom geborene Künstlerin, lebt und arbeitet in Rom und Santa Fe, New Mexico, USA

Die im Bestand der Sammlung Haupt befindlichen Arbeiten (»Holo$« und »Lead$« waren in der Ausstellung »GELD - WAHN - SINN: Die Sammlung Haupt in den Reinbeckhallen Berlin« vom 26.5. - 19.8.2018 zu sehen.


Mit freundlichen Grüßen



Dr. Hermann Büchner
Kurator, Sammlung Haupt
E-Mail: hb@sammlung-haupt.de

 

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Weitere Informationen:

· PDF mit weiteren Informationen und Abbildungen
· Katalog Dora Tass (PDF), in englischer Sprache

· Website der Künstlerin
· News-Beitrag der Sammlung

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Abbildung:
Dora Tass: Holo$, 2017
holographische Emulsion, laminiert in Glas / analoges Hologramm, 30 × 45 cm
© Dora Tass · Foto: Hermann Büchner

 

Herausgeber der Information:
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