Immer wenn Werner Klotz seine Kreationen dem Publikum zur Ansicht bringt,
handelt es sich um weit mehr als etwa die Präsentation vorher im Atelier
entstandener Werke. Der besondere Charakter seines Schaffens besteht nicht
nur in der Montage vorwiegend technoider und aus dem Kontext der
Feinmechanik stammender Elemente - wie beispielsweise Stahl- und
Glasplatten, Spiegel, optischen Linsen, Steuerungselemente, Bewegungsmelder
etc.- oder auch Kameras und Displays, sondern Klotz setzt seine
künstlerischen Ambitionen mit ingenieurtechnischem Mitteln auch funktional
um. So entstehen interaktive plastische Objekte und auf den geschlossenen
oder offenen Raum bezogene Arrangements, die zur aktiven Mitwirkung und
Aneignung nicht nur herausfordern, sonder diese nachgerade unverzichtbar
machen.
»Gymnasium for the Eyes« (übersetzt etwa »Schule für die Augen«) heißt eine
zentrale Werkgruppe des Künstlers, mit der er in 1990er Jahren begann,
Sinneswahrnehmungen wie Sehen und Hören in direkter Interaktion des
Betrachters mit den Installationen zu thematisieren.
Wirken die Arbeiten auch als Objekte im Raum durch ihre eigentümliche
Ästhetik der Verbindung von technische Instrument und künstlerischem Objekt,
so funktioniere sie nur, wenn der Betrachter sie ›benutzt‹ und seine Sinne
aktiviert, denn die Werke von Werner Klotz sind in doppeltem Sinne
›Wahrnehmungsinstrumente‹. (Barbara Barsch im Katalog zur Ausstellung »Exercise
Room. Wahrnehmungsinstrumente und Skulpturen« in der Galerie der JENOPTIK
AG, Januar/Februar 2000).
Einen speziellen, auf den ersten Blick ganz andersartigen Aspekt verfolgte
Werner Klotz, als er 1983 in Feldstudien begann, die Schleimspuren von
Weinbergschnecken zu untersuchen und später ein Verfahren zur Konservierung
derselben auf Kupferplatten zu entwickelte. Die beiden jetzt in den Bestand
der Sammlung aufgenommenen Arbeiten »Just Passing By« (2001) und »Follow the
Money« (2011) sind Beispiele derart eingefangener Bewegungsspuren - und zwar
in direktem Bezug zum Phänomen der Währung, assembliert mit den wohl
signifikantesten Elementen in Form von 1-Dollar-Note und -Münzen im Zentrum
jeweils einer Platte, auf deren die Schnecken ihren Weg zurückgelegt haben. |
Reflexion vom Umgebungslicht und Spiegelung sind in beiden Werken
zwangsläufige Momente der Wahrnehmung, wodurch der statische Charakter
aufgebrochen wird.
Michaela Ott, Professorin für Ästhetische Theorien an der Hochschule für
bildende Künste Hamburg, schreibt zu den beiden Arbeiten:
Heute rückt zunehmend die Verflechtung von bislang für unvergleichbar
gehaltenen Größen in den Blick. In der globalisierten Welt scheint nichts
mehr nicht dazuzugehören. Es gibt kein Außerhalb, nichts Belangloses, mehr.
Der Flügelschlag eines Schmetterlings löst am anderen Ende der Welt
ein Erdbeben aus. Was haben unter diesem Gesichtspunkt die Kurven und
Verschaltungen der Finanzströme mit ökologischen Umwelten zu tun? Folgen
beide dem Prinzip des Geflechts, des Rhizoms, wie Pilzkulturen es im
Unterboden ausbilden?
Lässt sich aus dem Fließen der einen auf Bewegungsarten der anderen
schließen? Werden wir, die langsamen Menschennaturen, heute an die monetäre
Fließgeschwindigkeit angepasst? Wird unser Modus der Selbstsorge
kurvenförmig wie der stets unstete Börsenkurs?
Und wie verhalten sich die Geldumläufe zu den scheinbar langsamen
Schleimspuren der Schnecken? Schieben sich diese als Bremse, als Anhalt,
dazwischen, bringen das quasi Immaterielle auf verzögernden Schlingerkurs?
In jedem Fall überkreuzen sich ihre unterschiedlichen Geschwindigkeiten und
geben auf kupferner Unterlage ein Tableau von Flüchtigkeit und Abfolge ab.
Mit »Just Passing By« wird zudem eine Verbindung zu den oben erwähnten, auf
aktives Rezeptionssver-halten und -verfremden zielende Installationen
realisiert, denn die unregelmäßige Oberfläche erzeugt, abhängig vom
Lichteinfall, völlig verschiedenartige (Wahrnehmungs-) Beschaffenheiten.
Weitere Informationen und Abbildungen im
PDF zum Weiterlesen.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Hermann Büchner
Kurator, Sammlung Haupt
E-Mail: hb@sammlung-haupt.de
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